„Wir sind gebrannte Kinder“: wenn Hans Ott auf seine jahrzehntelange Erfahrung mit der VTN, dem Betrieb „Verarbeitung Tierischer Nebenprodukte“ zurückblickt, ist ihm die Resignation anzumerken. Die „Schinderei“, wie die Alteingesessenen hier den Betrieb im Walsdorfer Ortsteil Hetzentännig nennen, hat das Leben von Hans Ott von Jugend an begleitet.
„Wir hatten es schriftlich“, meint er und blättert in einem umfangreichen Schriftstück. In diesem wird von der Regierung von Oberfranken versichert, dass es bei Inbetriebnahme der Anlage zu keiner Geruchsbelästigung kommen werde.
Im Einzelnen heißt es unter Punkt ‚II. / 2 / b‘ (Seite 23) im Wortlaut des umfangreichen Schreibens:
„Ferner hat hinsichtlich der gesamten Anlage die vorläufige Prüfung ergeben, dass die Genehmigungsvoraussetzungen auch beim Endausbau der Anlage erfüllt sein werden. Nach der in den Unterlagen dargestellten Konzeption entspricht das Vorhaben insbesondere dem Stand der Technik. Weiterhin kann ggf. durch Satzung von Nebenbestimmungen dafür Sorge getragen werden, dass Geruchsbelästigungen im Bereich der Nachbarschaft nicht auftreten.“.
Das offizielle Schreiben führt weiterhin explizit aus: „….Die Gesamtanlage stellt nämlich einen homogenen, geschlossenen Baukörper dar. Dabei soll die geruchsbeladene Verfahrensabluft direkt an den Entstehungsstellen erfasst und Abluftreinigungsanlagen mit erprobt hohem Wirkungsgrad zugeführt werden…..“.
„Es hat immer gestunken. Oftmals bestialisch . Und auch wenn es heute insgesamt besser geworden ist und der Gestank nicht mehr so oft vorkommt – es stinkt immer wieder einmal“. Der 71jährige Ott hat sich inzwischen notgedrungen mit den Begebenheiten arrangiert. Immerhin ist es nach weiteren umfangreichen Umbauten mit der „Schinderei“ tatsächlich besser geworden. So um die 70 Meter trennen ihn und sein Anwesen von der Grundstücksgrenze der Tierkörperbeseitigungsanlage, die seit 1992 vom kommunalen Zweckverband übernommen wurde. Er weiß von Fischsterben in der Aurach zu berichten, von Unterschriftensammlungen und Bürgeraktionen. Im Auftrag der Walsdorfer Einwohner hatte die Gemeinde vielfach Beschwerdeschriften an den damaligen Staatsminister Dr. Schnappauf gerichtet und die massiven Klagen reichen bis in die Ära der ehemaligen Staatsminister Dr. Gauweiler und Dr. Goppel ins Jahr 1990 zurück.
Schon in dem Schreiben aus dem Jahr 2000 ans Staatsministerium heißt es unter anderem: „Seit Jahrzehnten sind die Walsdorfer Bürger stark beeinträchtigt und die Entwicklung der Gemeinde ist nachhaltig negativ beeinflußt. Wohnwertminderung und ständige Zunahme der Verarbeitungsmengen sind die Schlagworte der letzten Gespräche von Bürgern mit ihren Mandatsträgern“.
Heute ist Hans Ott nicht mehr der junge Mann von damals und als Rentner holen ihn die alten Geschichten, so scheint es, durch die jetzt diskutierte Neuansiedlung der Firma ReFood in seinem gepflegten Anwesen in Hetzentännig in wiederum direkter Nachbarschaft wieder ein. Seine Frau, mittlerweile verstorben, hatte zu der Geruchsbelästigung unermüdlich viele Anschreiben an viele Stellen verfasst und geschickt, hat viele Zeitungsartikel gesammelt und Zeit ihres Lebens gegen diesen anrüchigen Nachbarn und ihr Anrecht auf eine saubere Luft gekämpft.
Wenn Hans Ott heute in dem Stapel Unterlagen blättert, fühlt er sich angesichts der geplanten Neu-Ansiedlung des nach neuestem Stand der Technik ausgelegten Recyling-Unternehmens ReFood in alte Zeiten zurückversetzt. Zeiten, die bei ihm mehr als die Erinnerung an üblen Geruch hinterlassen.
Hans Ott: „ Wir wurden eingeladen, ähnliche Betriebe zu besichtigen und sind durch die Anlagen geführt worden. Da war immer alles absolut sauber, kein Geruch, kein Gestank. Außerdem hatten wir schriftlich die Bestätigung: „hier stinkt nichts“, fasst der ehemalige Nebenerwerbslandwirt das damalige Vorgehen zusammen. Doc h leider sei alles wohl nur eine schöne Show gewesen. Der 71jährige bringt es auf den Punkt: „Letztlich haben Sie die neue Schinderei halt gebaut und wir hatten den Gestank“.

Zeitungsartikel aus dem ‚Fränkischer Tag‘ von 1963
„Fernab der nächsten Wohnung ….“ titelt ein alter Zeitungsbericht aus dem Jahr 1963. „Es wird aufgeführt, wie diese neue TBA „nunmehr weitab von der nächsten menschlichen Siedlung“ nach modernsten Gesichtspunkten erstellt, ihren Betrieb aufgenommen habe. Außerdem, so ist zu lesen, würden die umliegenden Gemeinden durch den Geruch nicht belästigt. Das haben Sie damals genau so vertreten, meint Hans Ott mit Blick auf die Parallelen zum jetzigen Bauvorhaben, und jeder Widerspruch, jede anderweitige Argumentation sei zwecklos gewesen.
Kein Wunder, dass er dem geplanten Neubau des Lebensmittel-entsorgungsbetriebs in wiederum direkter Nachbarschaft mehr als skeptisch gegenüber steht. Der grüne Baum auf der grünen Wiese, wie er in der Firmenpräsentation von ReFood symbolisch für das Entsorgungsgeschäft steht, weckt in ihm ganz andere Assoziationen. „Nichts hat so funktioniert, wie sie es damals versprochen haben: die Kläranlage hat nicht funktioniert, die Abwasserentsorgung hat nicht geklappt, die Luftfilter haben nicht gewirkt. – Und auch wenn es heute besser geworden ist, Störfälle gibt es bei der TBN auch heutzutage immer wieder und daran wird sich nichts ändern“.
Allerdings, so Hans Ott: „Einen alten Baum wie mich verpflanzt man nicht mehr. Der geht daran kaputt“. – Ein Einzelschicksal? Sicherlich. Pech halt, dass der Standort der TBA, ebenso wie der Standort für den Recylingbetrieb ReFood, wie er jetzt in der Diskussion steht, in keinster Weise „weitab von der nächsten menschlichen Siedlung“ liegt.
Knapp 1000 Meter Luftlinie sind es zu der Randbebauung im nördlichen Walsdorf. In dieser Rechnung sind die 6 Einwohner von Hetzentännig in direkter Nachbarschaft nicht einmal mit berücksichtigt. Den immer wieder auftretenden Gestank sowohl einer Tierkörper-beseitigungsanlage wie auch den eines Lebensmittel-Recyclingbetriebs wie ReFood möchte Hans Ott sich und seinen anderen Nachbarn sowohl in Hetzentännig wie auch in Walsdorf und Erlau ersparen. Denn: gebrannte Kinder scheuen das Feuer, wir könnten auch sagen: „den Gestank“.